Fernlehre und Digitales Lernen

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Nachdem ab Mitte März 2020 nahezu alle Bundesländer coronabedingt landesweite Schul- und Universitätsschließungen beschlossen hatten, rückte ein Thema mehr und mehr in den Blick der Kultusministerien: Wie kann verhindert werden, dass durch die coronabedingten Schließungen zu viel Zeit für den verbliebenen Unterrichtsstoff verloren geht? Ganz besonders ein Unterrichtsweg hat sich dabei profiliert, der bisher eher im Arbeitsbereich oder an einigen wenigen Fernuniversitäten zu finden war, aber kaum an deutschen Schulen und nur begrenzt an deutschen Universitäten: dabei handelt es sich um die digitale Fernlehre, deren Befürworter behaupten, dass digitale Kommunikationskanäle per "Homeschooling" eine eche Alternative zu herkömmlichen Unterrichtsmethode bieten - sowohl Lehrende als auch Lernende können dabei von zuhause aus über das Medium Internet interagieren und kommunizieren. Im Folgenden sollen zunächst die verschiedenen Formen der digitalen Lehre vorgestellt werden, ehe sie dann auf ihre Eignung an den verschiedenen Bildungseinrichtungen untersucht werden. Schließlich werden die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Lehre in einem abschließenden Fazit diskutiert.

Die Methoden der Digitalen Lehre

Prinzipiell lassen sich die Arten, digital zu unterrichten, in einerseits asynchrones Lehrangebot und andererseits synchrones Lehrangebot einteilen. Unterscheidungskriterium ist hierbei die Frage, ob der Lehrer/ Dozent/ Professor während der Unterrichtseinheit digital live zugeschaltet ist oder nicht. Im Folgenden sollen für beide Arten der Fernlehre die bedeutensten Subkategorien in ihren wesentlichen Merkmalen gegenübergestellt werden.

Asynchrones Lehrangebot

pdf-Skript/ Foliensätze

Die einfachste Art, den physischen Unterricht an der Bildungseinrichtung zu ersetzen, stellen wohl pdf-Skripte bzw. pdf-Foliensätze dar. Dabei ist diese Art der Stoffaufbereitung keineswegs neu, wurde Sie doch schon weitläufig an den Universitäten als Alternative zu einem gedruckten Vorlesungsskript genutzt. Durch die Coronamaßnahmen hat sich deren Anwendungsbereich aber auch auf Primär- und Sekundarstufe erweitert. Sie sind einfach zu erstellen, gering in ihrer Dateigröße - erreichen also auch entlegenere Winkel - und haben das Potenzial, den Unterrichtsstoff in seinem Kern prägnant zusammenzufassen. Andererseits erfordert diese Art des Digitalen Lernens ohne begleitenden Präsenzunterricht auch viel Eigeninitiative seitens der Schüler und Studierende ab. Zwar ist Ihnen vollkommen freigestellt, wann diese sich die Vorlesungen/ Unterrichtseinheiten anschauen und durcharbeiten, d. h. aber auch, dass sich hier eine erhöhte Anfälligkeit für Prokrastination und Motivationsverlust einstellen kann, wenn diese Methode nicht durch weiteres Anschauungsmaterial bzw. Nachfragemöglichkeiten unterstützt werden.

Diskussionsforen

Diskussionsforen sind wie pdf-Skripts nicht erst seit der Corona-Pandemie bekannt. Jedoch zeigt sich aus der subjektiven Erfahrung vieler Lernender, dass diese insbesondere im universitären Bereich verstärkt in Anspruch genommen werden - besonders wenn es seitens der Seminarleitung keine entsprechenden Möglichkeiten für Nachfragen gibt und gänzlich auf synchrones Lehrangebot verzichtet wird. Vorteil dieser Methode ist, dass sich die Lernenden untereinander autonom organisieren und sich im Idealfall untereinander bei der Bearbeitung der Aufgabenstellungen unter die Arme greifen können. Schwierigkeiten ergeben sich besonders dann, wenn solche Foren generell wenig besucht sind (wobei die Coronapandemie hier wie bereits erwähnt für ein wenig Auftrieb gesorgt hat) oder sehr spezielle Fragestellungen vorhanden sind, die nur von einem ausgewiesenen Experten auf dem entsprechenden Gebiet beantwortet werden können. Ideal sind Sie jedoch bei Verständnisfragen zur Stoffnachbereitung oder bei kreativem Brainstorming, da die Beitrage der Form nach frei sind und sich aus der Interaktion der Lernenden ein bedeutendes Maß an Einfallsreichtum entwickeln kann.

Aufgezeichnete Videovorlesungen

Wem die Corona-Pandemie definitiv zum Durchbruch verholfen hat, sind digital augezeichnete Vorlesungen. Vor der Pandemie gab es zwar schon ab und an innovative Dozenten und vielleicht auch Lehrer, die sich diese sehr aufwendige Möglichkeit des Digitalen Lernens zunutze gemacht haben. Jedoch erst durch die Zwangslage der Pandemie wurde diese Möglichkeit flächendeckend genutzt und dürfte mittlerweile bei deutlich mehr als der Hälfte der Dozierenden vorhanden sein. Auch an den Schulen gibt es immer mehr Versuche und Vorreiterschulen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Zwar ist der Fortschritt hier noch nicht so weit und die Lehrer greifen vornehmlich auf synchrone Live-Unterrichtseinheiten zurück. Jedoch muss man mit Verweis auf den beschleunigten Ausbau der digitalen Infrastruktur an Deutschlands Schulen - ein weiterer Nebeneffekt der Pandemie - definitiv feststellen, dass auch die hardwaretechnischen Anforderungen immer weniger eine unüberwindbare technische Hürde darstellen, was dieses Modell sicherlich noch zukunftsfähiger machen sollte.

Synchrones Lehrangebot

Live-Vorlesungen/-Unterricht

Live-Vorlesungen bzw- unterricht über das Internet könnte man wohl tatsächlich als unmittelbare Folge der Corona-Pandemie bezeichnen. Technisch wurde diese Möglichkeit weder von Lehrern noch von Dozierenden auch nur ansatzweise genutzt. Erst durch die Pandemie kommt es, dass Programme wie "Zoom", "Webex" oder "Skype" mittlerweile auf einer beachtlichen Zahl an Notebooks und Rechnern installiert sind. War es im Vorfeld der Pandemie maximal üblich, vergangene Vorlesungen bzw. Unterrichtseinheiten für künftige Jahrgänge oder auch kurzfristig im Vorfeld aufzuzeichnen, sind Liveübertragungen mittlerweile im Alltag von Schülern und Studenten fest verankert. Dabei hält der Vortragende seinen Stoff in Abgrenzung zur Videoaufzeichnung wie der Name bereits andeutet live vor seiner Audienz ab. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die besser gegebene Möglichkeit zum direkten Stellen von Fragen bzw. Einbringung von Einwänden bzw. Unklarheiten. Ferner erzeugt eine Live-Übertragung eine ganz andere Lernatmosphäre als eine aufgezeichnete und unter Umständen schon in die Jahre gekommene Videoaufzeichnung, deren Inhalte womöglich nicht mal mehr auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind. Abgesehen von diesen positiven Punkten gibt es aber auch definitiv einige Mängel dieser Unterrichtsform: Zum Einen wären da die technischen Aspekte. Nicht selten kommt es vor, dass einzelne Studierende oder im schlimmsten Fall der Dozent während der Übertragung "laggen", wodurch wichtige Satzteile nicht übertragen werden oder längere Pausierungen aufgrund von Verbindungsproblemen stattfinden. Andererseits kann eine Live-Unterrichtseinheit über das Netz nicht annäherungsweise dieselbe Atmosphöre wie im Präsenzunterricht zwischen Lehrendem/-r und Lernenden herstellen. Dies kann zur Folge haben, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Schüler/ Studenten darunter zu leiden haben oder dass besagte Gruppen leicht durch Benachrichtigungen auf dem Handy oder Ähnliches abgelenkt werden. Einen vollwertigen Ersatz für den Präsenzunterricht kann diese Form des Lehrens als nicht bieten, wenngleich Sie durchaus viele Vorteile bietet - insbesondere im Vergleich zu lediglich aufgezeichneten Videovorlesungen.

FAQ-Session

Diese Unterrichtsmethode stellt gewöhnlich eine Verbindung aus Liveunterricht und der Bereitstellung von asynchronem Lernmaterial dar. FAQ-Sessions heißt, dass der Lehrer oder Dozent für gewöhnlich einmal die Woche eine einstündige Fragestunde anbietet, um eventuelle Probleme oder Unklarheiten und weiterführende Fragen der Lernenden, die Ihnen während der zunächst selbständigen Bearbeitung des asynchronen Lernmaterials entstanden sind, thematisieren zu können. Positiv hervorzuheben ist hierbei, dass durch diese Verquickung von zunächst asynchronem Lernangebot mit dieser synchronen Lehrform entscheidende Defizite des reinen asynchronen Lernens ausgeglichen bzw gänzlich vermieden werden können: wie gesagt können dadurch Fragen und Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden, aber andererseits kann durch solche Fragestunden trotz pdf-Skript oder Aufzeichnung dennoch eine persönliche Atmosphäre und Beziehung zwischen den Lernenden und dem/-r Lehrenden hergestellt werden, was für die Erreichung der Lernziels zwar nicht unmittelbar wichtig ist, aber dennoch als Motivationsstütze fungieren kann bzw. Prokrastination verhindern kann, da man trotz fehlender Live-Vorlesung dennoch eine indirekte Deadline zur Bearbeitung des Materials gestellt bekommen hat.

Zoom-Webinare

Diese mit der Live-Vorlesung verwandte Methode eignet sich insbesondere für Uni-Seminare bzw. praxisorientierten Unterricht, also besonders in Bereichen, in denen es weg von der Theorie und rein in die Praxis geht. Technisch bieten solche Programme wie das namensgebende Zoom die Möglichkeit, jederzeit die Gruppe zu teilen bzw. in Kleingruppen zu arbeiten, um die Zwischenergebnisse dann später vor der gesamten Gruppe zu präsentieren. Verbunden mit der Möglichkeit von Bildschirmübertragung oder einer physischen Tafel, die durch eine Kamera aus dem Senderaum des Dozenten oder des Lehrers per Stream übertragen wird, können spontan und flexibel Sachverhalte thematisiert und verständlich erklärt werden. Durch Zusatzfunktionen wie das Handheben wird softwareseitig die Kommunikation weiterhin erleichtert. Ein Problempunkt ist jedoch, dass diese Art des Kommunizierens ungemeinen Schaden nimmt, wenn nicht alle Teilnahmer des Webinars ihre Kamera aktiv machen. Damit verbunden ist nämlich ein überdurchschnittlich oftes Nichtsssagen und lediglich stilles Zuhören, was keinen Teil eines gelungenen Seminars ausmacht. Wenn aber technisch jeder auf dem gleichen Niveau ist und alle auch von der installierten Hardware Gebrauch machen, können Webinare durchaus erfolgreich und für den weiteren Lernfortschritt fruchtbar sein.

Online-Lerngruppen

Schließlich seien hier noch Online-Lerngruppen angesprochen. Analoog zu den Diskussionsforen der asynchronen Methoden ermöglichen diese im Wesentlichen eine Selbstorganisation und Teamfindung unter Studierenden. Durch geeignete technische Hilfestellungen vonseiten des Dozenten oder der Lehrperson kann eine etwaige Gruppenfindung erleichtert werden. Vorteil ist, dass die Teilnehmer der Online-Lerngruppen ungefähr auf dem gleichen Kenntnisstand bezüglich der jeweiligen Materie sein dürften und dass dieses Format sich insbesondere dazu eignet, entsprechend schwierige Übungsaufgaben, die man als Einzelner vielleicht nicht ohne Weiteres bewältigt hätte, doch lösbar werden. Ein grundlegendes Problem, was dieses Format hat, ist, dass nicht jeder Studierender oder Schüler*in von Haus aus besonders kommunikationsfreudig bzw. teamorientiert arbeitet, was es erforderlich macht, dass die Gruppenfindung eventuell durch die Lehrperson eingeleitet wird, sodass niemand ohne Gruppe bleibt.

Anwendung im Bildungsbereich

von Moritz Anfang Juli ergänzt

Grundschule

Weiterführende Schulen

Ausbildungssbereich

Universitäten

Mediale Rezeption

Hauptartikel: Mediale Rezeption der Coronamaßnahmen im Bildungsbereich

Chancen und Grenzen

Insgesamt betrachtet lässt sich festhalten, dass die neuen digitalen Lernmethoden wie jedes didaktische Mittel sowohl Vor- als auch Nachteile bieten. Zu den Vorteilen zählen eine tendenziell größere zeitliche Flexibilität - insbesondere bei asynchronem Lehrangebot - und auch eine räumliche digitale Mobilität, die das Zuschalten etwa zu synchronen Videokonferenzen von überall möglich macht. Wenn die verfügbaren technischen Möglichkeiten seitens der Dozierenden und Lehrerschaft sinnvoll genutzt und eingesetzt werden, ergeben sich ferner neue und innovative Gestaltungsmöglichkeiten für den digitalen Unterricht. Dazu können nicht nur interaktive Grafiken oder digitale Flipcharts gezählt werden, sondern auch einfach umsetzbare Selbsttests, die eine Überprüfung des Lernfortschritts ermöglichen. Darüber hinaus ist die jüngere Generation sowieso privat seit frühester Kindheit im Umgang mit digitaler Technik geschult und oft bewanderter in der digitalen Umgebung als manche Lehrkraft, was zukünftige weitergehende Schritte in die Richtung Fernlehre und digitales Lehrangebot erleichtern dürfte.

Auf der anderen Seite sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass durch das digitale Lernen auch einige Aspekte wegfallen bzw. erschwert werden, die in der klassischen Lehre besser zum Tragen kommen. Dazu zählen einerseits die stark eingeschränkte Lernatmosphäre - Lernende und Lehrende haben keinen direkten Augenkontakt mehr und befinden sich nicht um selben Raum, was die Anfälligkeit für Ablenkungen zusätzlich erhöht. Ferner fallen wichtige Sozialisationsprozesse weg, die ansonsten in den Schulpausen oder freien Stunden an der Universität vorhanden gewesen wären. Schließlich kann dies auch längerfristig zu einer weiteren Vereinzelung der Gesellschaft führen, wenn eine ganze Generation von Schülern nur noch alles von daheim aus managt. Von den technischen Mindestvoraussetzungen ganz zu schweigen - nicht jeder deutsche Haushalt mit mehreren Kindern kann sich ohne Weiteres die Anschaffung von nicht unbedingt günstiger Technik in Form von modernen Multimedia-Laptops leisten, ohne die das digitale Angebot nicht denkbar ist. Erschwerend kommt hinzu dass im Jahr 2020 immer noch weite Teil des ländlichen Raumes und peripheren Gebieten nicht an das schnelle Internet angeschlossen sind, was die Möglichkeit zur Teilnahme an Videokonferenzen oder den Zugang zu großen Videodateien stark einschränkt.

Als Fazit kann man also sagen, dass das digitale Lernen durchaus viele Vorteile bietet, aber auch einige Nachteile mit sich ziehen. Nur durch eine sinnvolle Verknüpfung von asynchronem und synchronem Lehrangebot kann auch auf digitalem Wege sichergestellt werden, dass die Lernenden nicht den Anschluss verlieren und die Möglichkeit gegeben ist, jederzeit Fragen zu stellen, was essentiell für den Lernprozess ist. Da die Coronakrise erst in der Mitte des Schuljahres zu weitgehenden Beschränkungen im Schul- und Universitätsbetrieb geführt hat und die digitale Lehre eine vorübergehende Antwort auf das Pandemiegeschehen darstellt, ist nicht abzusehen, ob analog zu der jetzigen Ausnahmesituation in den kommenden Jahren verstärkt auf digitale Lehrmethoden gesetzt wird. In jedem Fall ist aber die Politik gefragt, hilfsbedürftigen Familien bei den technischen Hürden unter die Arme zu greifen und auf jeden Fall noch die digital abgehängten Gebiete an das schnelle Internet anzuschließen, um auch für zukünftige Ausnahmesituationen, die ja nicht unbedingt unmittelbar etwas mit der Coronapandemie zu tun haben müssen, gewappnet zu sein.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise